Mehr Tempo und Mut bei der ÖRR-Reform
Das Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses wirkt an diesem Donnerstag in Teilen wie ein großes Wohnzimmer. Sessel zwischen den Stühlen. TV-Geräte an den Wänden. Das Setting, wie es neudeutsch heißt, wird der Veranstaltung gerecht: Die CDU diskutiert Reformen von ARD und ZDF. Die Frage dazu: Wohin geht die Reise? Die Gastreferenten zeigen, dass die Debatte offen geführt wird: Reiner Haseloff ist Vorsitzender der Kommission zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der CDU. Kai Gniffke ist Intendant des Südwestrundfunks und Vorsitzender der ARD. Claus Grewenig ist Medienpolitikleiter bei RTL Deutschland und Vorstands-Chef von Vaunet. Bettina Schausten ist Chefredakteurin des ZDF. Auch in zwei Foren wird intensiv diskutiert.
Mario Czaja: Der Blick von außen hilft fast immer.
„Wir haben die Kommission eingerichtet, um die Türen aufzumachen und Luft reinzulassen, um uns mit der Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu beschäftigen“, sagt CDU-Generalsekretär Mario Czaja zur Begrüßung. Das Ziel der CDU: ist: „Wir wollen gute private Medien. Und wir wollen einen guten öffentlich-rechtlichen Rundfunk.“
„Wir wollen einen guten öffentlich-rechtliche Rundfunk. Wir wollen, dass er seinem Informationsauftrag nachkommt, nicht einem Meinungsauftrag.“ Mario Czaja
„Wir alle wissen und spüren, dass sich die Medienlandschaft verändert hat. Der Medienkonsum, die Medien insgesamt stehen unter großem Veränderungsdruck.“ Soziale Medien gewinnen an Bedeutung, gleichzeitig greifen Hate-Speech und Fake News objektive Informationen an. „Die Bürger müssen mittlerweile gut recherchieren, um die Wahrheit zu erkennen“, sagt er.
CDU-Generalsekretär Mario Czaja führt in die Veranstaltung ein. (Foto: Anika Nowak)
In dieser Gemengelage muss auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk neue Antworten suchen: „Die Bürgerinnen und Bürger haben Vertrauen verloren. Das macht uns Sorgen. Wir wollen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinem Informationsauftrag nachkommt, nicht einem Meinungsauftrag.“ Gerade die Menschen im Osten haben ein feines Gespür für faire und gute Nachrichten und Informationen, so Czaja. Sie lehnen es ab, „wenn Medien etwas von oben herab sagen.“ In Zeiten von Ressourcenknappheit ist es auch nötig, das Nachrichtenangebot, die Nachrichtenfülle immer wieder zu hinterfragen, bekräftigt der CDU-Generalsekretär. Und darüber wolle man jetzt sprechen.
Reiner Haseloff: Wir haben die Verantwortung für ein gutes Miteinander.
„Wir als Vertreter des Staates haben die Verantwortung, dass das alles in gedeihlichem Miteinander passiert.“ Der Ministerpräsident aus Sachsen-Anhalt macht den Diskussionsbedarf deutlich: Gerade im Zeitalter von Fake News und Hate Speech braucht es gut recherchierte und ausgewogene Informationen und Nachrichten. Aber hausgemachte Skandale und steigende Rundfunkgebühren haben die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erschüttert. Auf ihrem letzten Parteitag hatte die CDU deshalb beschlossen, dass sich der ÖRR reformieren muss. Dafür soll unter anderem mit der aktuellen Veranstaltung nach Wegen gesucht werden.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff legt Grundsätze und Aufträge einer ÖRR-Reform aus CDU-Sicht dar. (Foto: Anika Nowak)
„Die Bürgerinnen und Bürger sind besonders gefordert, sich zu informieren. Dafür ist ein plurales Angebot nötig. Aber auch die Gewissheit, dass das, was berichtet wird, der Wahrheit entspricht.“ Reiner Haseloff
Haseloff bekräftigt: „Wir brauchen eine Medienlandschaft, die die Grundordnung stabil hält und die Entwicklungstendenzen aufnimmt. Damit wir gemeinsam die Chance haben, die Demokratie zu sichern.“ Das müssen alle Verantwortliche im Blick und zum Ziel haben. Daher muss man auf Entwicklungen mehr denn je reagieren. Auftrag und Leistung müssen abgeglichen werden. Haseloff stellt aber auch die Fragen: „Ist die verpflichtende Beitragszahlung mit der entsprechenden Leistung in einem adäquaten Verhältnis? Ist das, was im Grundgesetz garantiert ist, auch gewährleistet?“ Unverrückbar ist: Man muss immer Pressefreiheit und die Freiheit der Medien gewähren.
Kai Gniffke: Eine Debatte kann nur gut sein.
„Wenn eine Partei wie die CDU sich mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschäftigt, kann das nur gut sein“, sagt Kai Gniffke. Der Intendant des Südwestrundfunks und Vorsitzender der ARD berichtet über den Stand der Reformen bei ARD und ZDF. Er richtet eine dringliche Bitte an alle: „Tragen Sie unseren Reformkurs mit. Ich erwarte – natürlich – keinen Blankoscheck.“
Der Vorsitzende der ARD, Kai Gniffke, stellt die positionen seines Hauses vor. (Foto: Anika Nowak)
Gniffke betont: „Es gibt keine Tabuzonen. Wir stellen alles auf den Prüfstand. Aber ist gibt Leitplanken, unverhandelbare Grundprinzipien.“ Drei Punkte nennt er ausdrücklich:
- Die Regionalbüros der ARD zählen zum Grundangebot und bleiben.
- Die journalistische Vielfalt muss auch künftig gewährleistet sein.
- „Wir sind und bleiben ein Anbieter für Video und Audio.“
„Es gibt keine Tabuzonen. Wir stellen alles auf den Prüfstand. Aber ist gibt Leitplanken, unverhandelbare Grundprinzipien.“ Kai Gniffke
Der Auftrag von ARD und ZDF lautet, „alle in Deutschland zu versorgen.“ Man darf die Erreichbarkeit der Menschen in Deutschland nicht den Algorithmen amerikanischer Unternehmen überlassen, so Gniffke. Das Reformziel ist daher vorrangig: mehr gemeinsame Sendestrecken, mehr gemeinsame Sendungen, mehr gemeinsame Beiträge. „Das klingt immer einfach. Aber wenn es konkret wird, wird es schwierig.“
Gniffke räumt ein, dass es zu viele digitale Kanäle gibt: Die ARD will daher einen digitalen Kanal einstellen. Social-Media soll sogar drastisch gekürzt werden, geht es nach Gniffke um bis zu 50 Prozent. Gleichzeitig sollen Redaktionen zusammengelegt werden. Doch es gibt Bedingungen für die Reformen. „Auch wenn wir diese Entscheidungen treffen, müssen alle unsere Stakeholder dazu stehen“, stellt Gniffke klar.
Gniffke sichert zu: „Die ARD wird kleiner: um 0,5 Prozent im Bereich Personal jedes Jahr. Sie wird hoffentlich nicht schlechter; wir werden versuchen, unseren Auftrag zu erfüllen.“ Dazu werden Transparenz- und Compliance-Regeln verstärkt. „Die Medienlandschaft in Deutschland ist Weltklasse.“ Das hat wesentlich zur stabilen Demokratie beigetragen, stellt Gniffke fest. „Und deshalb arbeite ich auch jeden Tag für journalistische Vielfalt.“
Claus Grewenig: Den Finger in die Wunde legen.
Claus Grewenig lobt im Konrad-Adenauer-Haus die aktuelle Debatte, die die CDU angestoßen hat: „Es ist weiter wichtig, den Finger da in die Wunde zu legen, wo Probleme sichtbar sind.“ Der Medienpolitikleiter bei RTL Deutschland und Vorstands-Chef von Vaunet, sagt: „Positiv ist, dass die Medienpolitik aus ihrer Nische herauskommt.“
Claus Grewenig fordert gleiche Chancen für die Privatsender. (Foto: Anika Nowak)
„Es ist weiter wichtig, den Finger da in die Wunde zu legen, wo Problem sichtbar sind.“ Claus Grewenig
Journalismus muss gestalten, sagt er. „Sonst werden wir gestaltet.“ Dazu zählt auch ein geordneter Neustart. Man kann nicht auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schauen, ohne die Privaten in den Blick zu nehmen, bekennt er. „Die Politik muss am Ende alle zusammenbinden.“ Fünf Punkte stellt er in den Mittelpunkt seiner Überlegungen:
- Die Privaten haben immer sofort wirtschaftlichen Druck. Politische Entscheidungen – wie angedachte Werbeverbote für Zuckerprodukte – treffen diese Sender sofort.
- „Wer die Finanzen von ARD und ZDF stabil halten will, muss deren Auftrag begrenzen“, sagt er und fragt: Braucht es wirklich über 60 Schlagerwellen?
- Werbung im ÖRR muss konsequent reduziert werden.
- Die Zahl der kommerziellen Tochterunternehmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss eingedämmt werden.
- Der Umfang bei Sportrechten und Events kann bei ARD und ZDF reduziert werden. Derzeit liege dieser bei rund 400 Millionen Euro im Jahr.
Die Änderungen kommen nicht ohne Druck von außen, so sein Fazit: „Wir brauchen eine aktive Aufnahme des Gestaltungsauftrags in der Politik.“
Bettina Schausten: Der Veränderung wurde gestartet.
ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten bricht eine Lanze für das ZDF: Der Sender liefert viel Information und steht für Qualitätsjournalismus als Grundlage zur Meinungsbildung, sagt sie. Schon seit Jahren setzen sich alle Verantwortlichen intensiv mit denen auseinander, die die Gebühren bezahlen. Das ZDF hat dazu neue Formate ins Leben gerufen, die in die Zukunft weisen.
ZDF Chefredakteurin Bettina Schausten begründet die neuen Angebote des ZDF. (Foto: Anika Nowak)
„Wir nehmen auch von der Generation, Instagram und TikTok Geld – deswegen müssen wir sie auch erreichen. Im digitalen Raum und zu ihren Themen.“ Bettina Schausten
Um auch junge Nutzer für sich zu gewinnen und an sich zu binden, braucht es neue Angebote: Das ZDF hat die Angebote dazu thematisch und in der Form verändert. Der Sender will vor allem den Jüngeren dort begegnen, wo sie unterwegs sind – auf den digitalen Plattformen. ARD und ZDF haben dafür ein gemeinsames Streamingnetzwerk gestartet. Mit ZDF-Live wurde ein Format geschaffen, das den direkten Austausch mit Zuschauerinnen und Zuschauern möglich macht.
Sämtliche Veränderungen wurden ohne zusätzliches Personal gestartet, betont Schausten. Und sie werden von den Zuschauern angenommen. Der Beleg für die Qualität zeigt sich aus Sicht von Schausten auch im Nutzerverhalten: 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger vertrauen den öffentlich-rechtlichen Sendern. Im Osten und im Westen ist das ZDF nach wie vor Marktführer bei den Zuschauern.
Sie informierten und diskutierten bei der CDU. (Foto: Anika Nowak)
Podiums- und Publikumsdiskussion: Mehr Tempo bei Reformen!
Über drei Stunden dauert die Veranstaltung. Das Publikum im Konrad-Adenauer-Haus ist kritisch. „Keines der heute vorgebrachten Argumente ist neu“, sagt etwa Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Mehr Mut bei den Reformen und mehr Tempo – das ist der Tenor des Nachmittags.
Auch in den hochkarätig besetzten Podien zu Struktur und Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird das deutlich. Im Talk mit Professor Justus Haucap, ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab und Christiane Schenderlein mahnt Oliver Schenk, Chef der sächsischen Staatskanzlei: „Sortieren, einordnen, diskutieren: Das ist die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – und nicht Lagerbildung.“ Einen anderen Aspekt bringt CDU-Mittelstandschefin-Chefin Gitta Connemann ins Spiel: „Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss lauten: Qualität vor Quote.“ Im Podium mit Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunks, und Claus Grewenig erhält sie dafür Unterstützung von Medienrechtler Professor Hubertus Gersdorf: „Es gibt keinen Anspruch auf Quotenorientierung, sondern der spezifische Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks besteht gerade darin, ein Gegengewicht zur kommerziellen Seite zu sein und muss nicht immer nur nach Reichweite schauen.“
So bleibt von der Diskussion die Erkenntnis, dass noch viel Arbeit vor Politik und den Öffentlich-Rechtlichen liegt. Ministerpräsident Haseloff fasst es so zusammen: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk lebt von der Akzeptanz durch die Bürgerinnen und Bürger. Wir dürfen daher im Reformprozess des öffentlich-rechtlichen Rundfunks jetzt keine falschen Signale setzen. Echte Reformen brauchen offene Diskussionen.“ Der Nachmittag im Konrad-Adenauer-Haus war dafür ein guter Beitrag.
__Eine Zusammenfassung der Veranstaltung im Video sehen Sie hier.__
Die Veranstaltunng in voller Länge zum Nachsehen gibt es hier.